Betritt man den Kindergarten von Christoph Bischlager, der dort als Kindergartenpädagoge arbeitet, wird schnell klar, dass er viel zu ruhig für diese Art von Beruf ist – für uns zumindest. Trotz der tobenden und lachenden Kinder, die den Raum mit Lärm und einem gewissen Geräuschpegel füllen, bleibt Christoph ungestört und gelassen. Der Grund dafür: Er ist gehörlos. Seine Taubheit ermöglicht es ihm, mitten im Trubel eine besondere Ruhe zu bewahren, die sich positiv auf die Kinder überträgt.
Christoph Bischlager
Ein sanfter Bär mit großer Kraft
Making of Inhalte
Eine der lustigsten und gleichzeitig herausforderndsten Produktionen war zweifellos die mit Christoph Bischlager. Mit etwa zehn Kindern und zwei Erziehern führten wir ein rasantes Fotoshooting in einem Inklusionskindergarten in München durch. Die Grundidee für diese Produktion entstand bereits vor dem Kennenlernen von Christoph Bischlager.
Zu Beginn der Zusammenarbeit tauchten Mitgründerin Chrissi Obwexer und Fotograf Thomas Griesbeck in die ersten Gespräche ein, aus denen sich eine spannende Idee entwickelte: Behinderungen sind nicht nur negativ, sondern können auch positive Aspekte haben. Ein Beispiel dafür ist ein tauber Mann, der nie Musik gehört hat und kein Konzert besuchen kann, aber trotzdem die Ruhe an einer belebten Autobahn genießen kann.
Nach dem Kennenlernen von Christoph Bischlager entstand eine etwas andere Szenerie, aber die gleiche Herausforderung für den Fotografen Thomas Griesbeck. Die zentrale Frage war, wie man Stress oder Lärm fotografisch darstellen kann. So wurde ein “lautes” Werk geschaffen, das viel Bewegung und Unruhe einfängt, während im Mittelpunkt die liegende Ruhe dargestellt wird.
Dieses einzigartige Foto zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich Lärm und Stress wahrgenommen werden können und dass inmitten des Chaos auch immer Ruhe gefunden werden kann.
Das Hauptwerk
„Ein Gehörloser kann auch an der Autobahn chillen“. Diese Aussage war zum Anfang des Projekts eine ausschlaggebende Konkretisierung des Grundgedankens. Für die Umsetzung der Produktion rund um Christoph Bischlager wollte der Fotograf ein ähnlich lautes Werk umsetzen. Final war es jedoch nicht die Autobahn, sondern sein geliebter Kindergarten, in dem er mit Leidenschaft arbeitet und viel Zeit verbringt.
Der sanfte Kämpfer.
Was sind wohl die ersten Gedanken, die durch den Kopf der Vier- bis Fünfjährigen laufen, wenn Christoph Bischlager zum ersten Mal den Raum ihrer Kindergruppe betritt? Was sagen sie als Erstes? Oder sind sie gar sprachlos?
Denn vor ihnen stehen 113 Kilogramm und ein Brustumfang von 120 Zentimetern. Ein Hüne. Ein Riese. Oder Herkules, jener griechische Gott, der für seine Stärke bekannt war und das Bogenschießen, den Faustkampf und das Ringen genauso beherrschte wie das Wagenlenken und das Fechten. Und es wird nicht lange dauern und sie werden erfahren, dass auch vor ihnen ein Meister der Wettkämpfe steht. Einer, der schon mehr Titel gewonnen hat, als einige von ihnen zu zählen imstande sind. Und das in vielen und völlig unterschiedlichen Sportarten. Im Tischtennis etwa oder im Basketball, im Zehn- oder Siebenkampf, im Diskuswerfen oder Kugelstoßen.
Christoph Bischlager ist 159-facher Deutscher Meister. Ein Weltmeister. Ein Europameister. Einer, der viermal bei Olympischen Spielen dabei war und einmal auch mit einem dritten Platz auf dem Siegespodest stand. Mit 22 Jahren bekam er das silberne Lorbeerblatt überreicht. Und dafür – und auch das werden die Kleinen irgendwann vielleicht erzählt bekommen – muss man zu den Besten gehören. Und das nicht nur im Sport. Denn wer diese höchste sportliche Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland erhält, hat sie nicht nur aufgrund körperlicher Leistungen, sondern auch wegen spürbarer menschlicher und charakterlicher Größe verdient.
Was macht Christoph Bischlagers Größe aus? Sein Ehrgeiz wahrscheinlich und seine Geduld. Seine Ausdauer. Seine Konsequenz und seine Bereitschaft, für seine Ziele alles zu geben und dabei doch immer fair zu bleiben. Auch am Boden zu bleiben. Das zu schätzen, was für ihn noch viel wichtiger ist als Erfolg, Titel und Anerkennung. „Die Familie, meine Freundin Lisa, meine kleine Tochter Rosalie, meine Freunde. Und natürlich Wohlbefinden und Gesundheit.“ Und wohl auch diese kleinen und großen Menschen, die er als staatlich geprüfter Sportlehrer betreut und trainiert. Mit sehr viel Ruhe übrigens. Denn laut wird Christoph Bischlager nur höchst selten.
Was kein Wunder ist. Christoph Bischlager ist gehörlos. Und spricht lieber mit seinen Händen. Seinem Körper. Und wahrscheinlich wohl auch sehr viel mit seinem Herzen.